Unabhängig davon, welche Aufgabe von einem optischen Inspektionssystem ausgeführt werden soll, mitentscheidend für ein optimales und zuverlässiges Ergebnis ist die Auswahl des am besten geeigneten Objektives für die Abbildung einer Prüfszene. Die Bildverarbeitungsalgorithmen ermitteln letztlich die Maße oder Qualitätsmerkmale der Prüflinge aus den Bildern, die auf den Kamerasensoren entstehen.
Typische Objektivarten in der industriellen Bildverarbeitung
Entozentrische Optiken sind die wohl am häufigsten eingesetzte Bauart, wie wir sie bezüglich ihrem Aufbau auch aus der Fotografie oder aus dem Überwachungsbereich her kennen. Kennzeichnend ist der divergente Strahlengang und dass sich die Abbildungsgröße je nach Arbeitsabstand verändert. Auf diesem Abbildungsprinzip beruhen Festbrennweiten, Makro-, Zoom- oder Mikroskop-Objektive und auch das menschliche Auge mit perspektivischer Sicht.
Abbildung 1: Entozentrische Abbildung
Unter zahlreichen Einsatzbereichen sind die Identifikation und Teileerkennung, Montageüberwachung, Lage- und Positionskontrolle sowie Vollständigkeits- und Oberflächenkontrolle zu nennen, aber auch 3D- und Messanwendungen.
Abbildung 2: Entozentrische Objektive als Festbrennweiten mit Blenden und Fokuseinstellung
Telezentrische Objektive werden in der Regel für Messaufgaben eingesetzt, bei denen eine perspektivische Ansicht störend ist oder der Arbeitsabstand der Messebene variieren kann. Der Abbildungsmaßstab bleibt damit auch bei Objektverschiebung in der Z-Achse innerhalb des Telezentriebereiches gleich. Der Öffnungswinkel des Telezentriebereiches beträgt quasi null Grad. Das bedeutet, dass der Strahlengang hier parallel verläuft.
Abbildung 3: Beidseitig telezentrische Abbildung
Abbildung 4: Perspektivische Sicht auf Zylinder (links, entozentrisch) und mit Telezentrie (rechts)
Abbildung 5: Typisches telezentrisches Objektiv
Abbildung 6: Rundumsicht einer Verschlußkappe
Eigenschaften von telezentrischen Objektiven
Es gibt telezentrische Objektive die nur objektseitig einen telezentrischen Strahlengang aufweisen. Damit kann wie oben beschrieben auch bei unterschiedlichem Arbeitsabstand maßstabsgetreu gemessen und eine perspektivische Ansicht vermieden werden.
Beidseitig telezentrische Objektive verhindern durch den ebenso parallelen Strahlenverlauf im Sensorbereich, dass die Strahlen auf moderne Sensoren mit Mikrolinsen auf den Pixeln, vor allem im Randbereich der Sensoren in unterschiedlichen Winkeln auftreffen. Dadurch wird eine Abdunklung im Randbereich vermieden.
In der Regel sind telezentrische Objektive größer als Standardobjektive. Um zum Beispiel ein Objekt mit 25mm x 20mm auf einen 2/3" Sensor abzubilden weist ein typisches telezentrisches eine Baulänge von ca. 140mm auf, während ein typisches entozentrisches Objektiv eine Baulänge von weniger als 40 mm aufweist. Folglich sind die telezentrischen Objektive i.d.R. auch deutlich schwerer.
Der Durchmesser der telezentrischen Objektive richtet sich nach der Objektgröße (Länge/Breite). Er muss etwas größer sein als der Durchmesser oder die Diagonalen eines Prüflings. Das bedeutet, dass es ab einer bestimmten Teilegröße finanziell und auch technisch nicht mehr sinnvoll ist, eine Lösung mit einem telezentrischen Objektiv anzustreben. Die größten Standardobjektive reichen bis ca. 300 mm Objektdurchmesser.
Abbildung 7: Öffnungsdurchmesser eines telezentrischen Objektives
Das Auflösungsvermögen nimmt mit zunehmendem Objektivdurchmesser ab. Wenn also eine hohe Messauflösung gefordert wird, ist neben der Sensorauflösung der Kamera und dem Softwarealgorithmus auch das Auflösungsvermögen des Objektivs zu prüfen. Wenn das Auflösungsvermögen für eine spezielle Anwendung nicht ausreicht, aber eine telezentrische Abbildung unbedingt nötig ist, kann der Prüfbereich in kleinere Bereiche aufgeteilt und einzeln geprüft werden. Im Vergleich verfügen die modernen entozentrischen Objektive über ein deutlich höheres optisches Auflösungsvermögen.
Telezentrische Objektive verfügen über einen definierten Vergrößerungsmaßstab. Das Objektiv mit der passenden Vergrößerung wählt man aufgrund des nötigen Blickfeldes und der Größe des Kamerasensors aus. Weitere bauartbedingte nicht verstellbare Größen sind der Telezentriebereich und der Arbeitsabstand. Meist sind die telezentrischen Objektive nicht mit einer variablen Blende, sondern mit einer optimalen Blendenöffnung ausgestattet. Es gibt aber auch Varianten mit variabler Blende. Die Blendengröße und der Vergrößerungsmaßstab sind die wesentlichen Einflussgrößen für die Schärfentiefe. Je höher die Vergrößerung, desto kleiner der Schärfebereich und umgekehrt.
Generell weisen telezentrische Objektive eine sehr geringe Verzeichnung auf.
Typische Anwendungen
Telezentrische Objektive finden sich vor allem dort wieder, wo mit Kameratechnik gemessen wird.
Sie eignen sich ideal zur Vermessung von Drehteilen, Zylindern, Wellen, Bolzen - mit und ohne Gewinde - und Stangen oder auch Drähten und Röhrchen, sowie zur Vermessung von Bohrungen und Durchbrüchen.
In Kombination mit einer telezentrischen Hintergrundleuchte bilden sie mit ihrem senkrechten Blick auf den Objektbereich und achsparallelem Licht das Profil der Bauteile ideal ab.
Abbildung 8: Anwendungen für telezentrische Objektive: Vermessung von Schrauben, Muttern und auch Schraubfedern
Für Auflichtanwendungen wie die Kratzerinspektion auf stark reflektierenden Oberflächen bei denen ebenso achsparalleles Licht förderlich ist, gibt es Bauformen mit Lichteinkopplung über halbdurchlässige Spiegel.
Im Fall der Steckerkontrolle, bei der eine Taumelkreisprüfung an den einzelnen Pins durchgeführt werden muss, kommen oft Koaxialleuchten als Beleuchtung zusammen mit den telezentrischen Objektiven zum Einsatz. Auch unser Prüfsystem für die Pin-Prüfung arbeitet nach diesem Konzept und bietet so eine sichere Erkennung von defekten und verbogenen Pins.
Abbildung 9: Pinkontrolle